Immobilien-Unternehmer Valeri Spady erklärt die Abschreibung gemäß § 7b Einkommensteuergesetz und warum in Deutschland so wenig gebaut wird.
In Deutschland fehlen Wohnungen. Laut einer Studie des Pestel-Instituts und des Bauforschungsinstituts ARGE hat das Land rund 700.000 Wohnungen zu wenig. Ein solches Defizit hat es seit 20 Jahren in Deutschland nicht mehr gegeben. Die Bundesregierung versucht, diesem Mangel mit verschiedenen Maßnahmen entgegenzuwirken. Eine dieser Maßnahmen ist eine Sonderabschreibung für den Mietwohnungsneubau, die zum 1. Januar 2023 wieder reaktiviert wurde. Immobilien-Unternehmer Valeri Spady, Gründer und Vorstandsvorsitzender der DFK Gruppe, stellt die Maßnahme vor, bewertet sie und zeigt auf, welche Gründe tatsächlich den Neubau von Wohnungen bremsen.
Herr Spady, wie funktioniert die Sonderabschreibung für den Mietwohnungsneubau?
Die im Paragraf 7b Einkommensteuergesetz geregelte Sonderabschreibung sieht vor, dass bei nach dem 1. Januar 2023 neu errichteten Mietwohnungen in den ersten vier Jahren zusätzlich zur normalen Abschreibung, die aktuell bei drei Prozent liegt, weitere fünf Prozent pro Jahr abgeschrieben werden dürfen. Damit können Eigentümer zusätzlich 20 Prozent der Herstellungskosten des Gebäudes in sehr kurzer Zeit steuerlich geltend machen. Allerdings können in der Steuererklärung als Bemessungsrundlage für die Abschreibung nur maximal 2.500 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche angesetzt werden, also gegebenenfalls weniger, als die tatsächlichen Baukosten betragen haben.
Wie sind die Voraussetzung, um die Sonderabschreibung in Anspruch nehmen zu können?
Die Gebäude müssen zunächst nach dem 1. Januar 2023 fertiggestellt werden und sich innerhalb der EU befinden. Darüber hinaus wird der Standard eines KfW-Effizienzhauses 40 gefordert. Die letzte Hürde sind die Baukosten. Denn die Herstellungs- oder Anschaffungskosten dürfen 4.800 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche nicht überschreiten.
Die Baukosten sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Lässt sich ein KfW-Effizienzhaus 40 überhaupt für weniger als 4.800 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche realisieren?
Die eine Seite sind die Herstellungskosten, die andere Seite sind die Verkaufspreise. Für 4.800 Euro kann ich alles bauen, aber nicht alles verkaufen. Aktuell liegen unsere Immobilien regelmäßig bei den Verkaufspreisen unter 5.000 Euro pro Quadratmeter. Wo dies aber ganz sicher nicht funktioniert, ist in den Ballungsgebieten, wie Hamburg, Berlin oder Frankfurt. Also leider genau dort, wo die Schaffung neuen Wohnraums am wichtigsten ist. Ein KfW-Effizienzhaus 40 ist grundsätzlich eine tolle Sache, aber in den meisten Großstädten ist das gar nicht umsetzbar, weil unwirtschaftlich.
Wo liegt in den Großstädten die Problematik in der Umsetzung?
Ein Aspekt ist zum Beispiel der Wohnflächenverlust durch stärkere Dämmung usw. Dies geht zu Lasten des Innenraums, da die Gebäude in Ballungsgebieten aufgrund der knappen Flächen nicht breiter oder länger werden können. Dabei bedeuten zehn Prozent Wohnflächenverlust auch zehn Prozent Margenverlust. Hinzu kommt höherer Materialaufwand durch die KfW-Auflagen. Ob dies durch die Förderung ausgeglichen wird, ist zumindest fraglich. Denn eines ist klar, der gesamte Mehraufwand muss sich am Ende für die Bauträger rechnen, ansonsten werden Projekte nicht oder zumindest ohne die gewünschten Energiemaßnahmen umgesetzt. Wenn ich die Maßnahmen der Bundesregierung aus DFK-Sicht ganz subjektiv bewerte, kann die Bundesregierung mit Steuererleichterungen in diesem Bereich wenig ausrichten.
Welche Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht sinnvoll, um den Wohnungsbau in Deutschland anzukurbeln?
Für uns wäre die Lösung ganz einfach: Die Projektentwicklung, die Ausweisung von Baugebieten und die Genehmigungsverfahren müssen drastisch beschleunigt werden. Hier macht sich Deutschland durch Überregulierung selbst das Leben schwer. Bis bei uns ein Stück Land zu Bauland wird, vergehen locker drei bis fünf Jahre. Das ist viel zu lang.
Woran liegt das?
Die Bundesregierung kann viel wollen und von oben festlegen, umsetzen müssen es aber die Kommunen und Landkreise. Denn diese besitzen die Grundstücke bzw. leiten die Genehmigungsverfahren. Allein, dass wir uns bei einem Bauantrag mit so vielen unterschiedlichen Behörden auseinandersetzen müssen, zieht alles in die Länge. Das reicht von Tier- und Pflanzenschutz über Geologie bis Archäologie. In manchen Regionen kommt dann noch das Land hinzu, zum Beispiel mit Küsten- oder Deichschutz. Die Untersuchungen und Abstimmungen sind wichtig, aber sie kosten zu viel Zeit. Hinzu kommt, dass viele Kreis- oder Stadt- und Gemeinderäte, oft aus fehlenden Fachkenntnissen, sehr lange für Entscheidungen benötigen oder am Ende sogar falsche Entscheidungen treffen. Bis hier ein Konsens zwischen den unterschiedlichen Interessenvertretern vor Ort gefunden ist, geht oft sehr viel Zeit ins Land. Durch die Verlagerung des Themas Wohnen und Bauen in die regionalen Bereiche sind hunderte oder sogar tausende unterschiedliche Player an den Prozess beteiligt. Am Ende hängt es an den Personen vor Ort, ob eine Entwicklung von Baugebieten gewünscht ist oder nicht. Solange wir diese Hindernisse haben, können wir nicht genug bauen, um dem Wohnungsmangel entgegenzuwirken.
Woran liegt es, dass es so viele Hindernisse gibt?
Ich denke, dass diese Hindernisse ein Stück weit absichtlich aufgebaut werden. Wachstum und Entwicklung sollen gebremst werden. Das ist auch in einem gewissen Rahmen okay, weil die Wirtschaft ansonsten unglaublich schnell wachsen würde. Und das wäre für das Land eher ungesund.
Welche Instrumente werden eingesetzt, um das Wachstum zu begrenzen?
Für mich wird zum Beispiel die ökologische Bewegung, die in den 1970er Jahre entstanden ist, als Instrument eingesetzt. Auch diese Bewegung begrüße ich, da wir ohne den Naturschutzaspekt sicher schon alles zugebaut hätten, was möglich ist. Aber im Bereich des Neubaus hat es einfach überhand genommen. Hier gerät die Branche in einen Zwiespalt. Auf der einen Seite soll günstiger Wohnraum geschaffen werden. Auf der anderen Seite sind die Kunden durch die starke Präsenz des Themas Energieeffizienz sensibilisiert und fragen verstärkt nach, welche Standards die Häuser erfüllen. Energieeffizienz, die höhere Baukosten verursacht, ist also ein Kaufkriterium geworden. Dabei sind es aber nicht nur die Baukosten. Ein KfW-Effizienzhaus muss auch mit sauberer Energie versorgt werden. Hier wäre Fernwärme eine gute Lösung. Leider wird diese oft mit fossilen Energieträgern erzeugt, so dass damit ein KfW-40-Haus gar nicht möglich ist. Man verlangt also auf der einen Seite diesen Standard, aber Stadtwerke können nicht einmal die passende Energie dazu liefern.
Wie lautet Ihr Fazit?
Der Staat und die Länder müssen vor allem in und um große Städte dringend handeln. Verfahren müssen drastisch beschleunigt und entbürokratisiert werden. Was aber am wichtigsten ist: Es muss deutlich mehr Geld in die Bauwirtschaft fließen, damit die Bautätigkeit wieder steigt. Aus meiner Sicht braucht es direkte Förderungen des Neubaus, um diesen für Bauträger und Investoren wieder attraktiv zu gestalten.
Vielen Dank für das Gespräch!